Diskussion: Fördern Kiezblocks die Gentrifizierung?
Auf den Klimareportern gibt es aktuell ein interessantes pro und kontra, ob Kiezblocks die Gentrifizierung fördern: Przemysław Borucki befürchtet die Gentrifizierung, der Politik- und Sozialwissenschaftler Weert Canzler gibt kontra und meint, daß Nichtstun keine Option sei.
Ich möchte Weert Canzler zustimmen: Gentrifizierung ist weder ein Naturgesetz noch grundsätzlich etwas Schlechtes. Denn nichts ist schlimm an einem wohnwerten Umfeld, schlimm ist nur, daß sich nicht alle ein wohnwertes Umfeld leisten können. Gentrifizierung und Verdrängung sind kein Problem der Verbesserung der Wohnqualität, sondern der Tatsache geschuldet, daß der Kapitalismus aussiebt: Er teilt die Gesellschaft in Reiche, die sich ein verbessertes und verkehrberuhigtes Wohnen leisten können und Arme, die an die (Stadt-) Ränder gedrängt werden.
Daher ist die Frage nicht: Verkehrslärm und Luftverschmutzung kontra Gentrifizierung, sondern wie schaffe ich ein lebenswertes Umfeld für alle. Denn warum sollen wir aus ideologischen Überlegungen auf Verbesserung der Lebensqualität verzichten? Weert Canzler schreibt dazu (Zitat von mir entgendert):
Das Gentrifizierungsproblem muß anders gelöst werden als durch den Verzicht auf eine bessere Lebensqualität. Der beste Schutz vor Verdrängung ist ein Mietrecht, das den Mieterinnen und Mietern eine starke Position gibt und nur Vergleichsmieten mit Preisdeckel erlaubt. Es braucht zugleich einen hohen Bestand von Wohnungen in kommunaler Hand und vor allem in Mieterhand beziehungsweise in gemeinschaftlichem Eigentum. Die Stadt Wien war und ist ein überzeugendes Beispiel. Klassische Genossenschaften und selbstorganisierte Hausprojekte à la »Mietshäuser Syndikat« sind ein wirksamer Schutz gegen renditegierige Investoren.
Das sind allerdings Forderungen, die zwar nicht gerade den Kapitalismus abschaffen, aber doch an den Grundfesten neoliberaler Ideologie rütteln. Das bedarf daher bei den meist nur oberflächlich grüngetüchnten Liberalen massive Überzeugungsarbeit und starken Druck von unten auf die Sozialdemokraten. Denn bei den Neuköllner Linken, die in romantischer Verklärung lieber radikalen Verelendungstheorien huldigen, ist sowieso Hopfen und Malz verloren. (Photo: (cc) Gabriele Kantel)