650 Jahre Rudow – ohne Currywurst von Curry Paule

Neukölln
Autor:in

Jörg Kantel

Veröffentlichungsdatum

29. Mai 2023

Curry Paule (Facebook-Link) und andere hatten gerufen: Dieses Wochenende feiert Rudow sein »offizielles« 650-jähriges Bestehen (mit Sicherheit ist der Ort aber schon älter, als die historischen Dokumente preisgeben). Und ich dachte mir: Fahr doch mal hin, denn ich hatte auf einmal unbändigen Appetit auf eine richtig gute Currywurst.

Erst einmal die nackten Tatsachen: Vor 650 Jahren wurden die (heute Neuköllner) Ortsteile Rudow und Buckow erstmalig urkundlich erwähnt, das Jahr 1373 gilt somit als Geburtsjahr dieser beiden Orte. Rudow feiert dies an diesem Wochenende, nächste Woche ist Buckow dran.

Doch die Austragung dieser Feier war – zumindest für mich – eine große Enttäuschung: Auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes waren lieblos ein paar Rummelbuden zusammengepfercht, es gab einen Bierausschank ohne alkoholfreies Bier und keine Currywurst von Curry Paule. Auch die groß angekündigte Open-Air-Ausstellung zur Geschichte Rudows war enttäuschend: Ein paar Stellwände mit hoch aufgeblasenen Photos ohne Erläuterungen ließen selbst einen wohlwollenden Betrachter wie mich hilflos zurück. Wo und was war zum Beispiel die immer wieder auftauchende Rudower Spinne? Ich konnte es mir zwar denken und wieder zu Hause bestätigte die Wikipedia meine Vermutung, aber was ist eigentlich so schwer daran, wenigstens die dürren Worte der Wikipedia mit auf die Tafel zu pappen?

Und ich hatte immer noch keine Currywurst, aber mittlerweile einen Riesenhunger. Also stieg ich (an der Rudower Spinne (sic!)) in einen Bus, der mich – via Adlershof – zur S-Bahn nach Schweineöde Schöneweide brachte. Dort gab es nämlich – erinnerte ich mich aus früheren Spaziergängen – auf der Westseite des Bahnhofs an der Straßenbahnkehre eine nette Currywurstbude. Doch hier lauerte die nächste Enttäuschung: Die seit Jahren vor sich hinsiechende Dauerbaustelle Bahnhof Schweineöde hatte die gesamte Straßenbahnkehre und damit auch die Currywurstbude plattgemacht.

Letzter Ausweg »Säuferbüdchen« am Bahnhof Treptower Park. Das machte seinen Namen alle Ehre (es gab kein alkoholfreies Bier), aber immerhin bekam ich endlich meine Currywurst. Ich wußte gar nicht, daß es in der Heimatstadt der Currywurst so schwer sein kann, eine zu bekommen.

Fazit: Eigentlich hatte ich ja vor, nächstes Wochenende die 650-Jahr-Feier von Buckow zu besuchen, aber mittlerweile bin ich da doch sehr schwankend in meinem Vorhaben geworden. Und ich sollte mal etwas über die Privatisierung des öffentlichen Raums schreiben. Denn nicht nur Eigentumswohnungen, sondern auch der Verlust von Eckkneipen und Currywurst-Ständen an Edel-Restaurants, Bars und Kitas sind Teil der Gentrifizierung.

(Photo (CC BY-SA 3.0): Sigurd Hilkenbach – Triebwagen Tw 630x (TF 50) mit Beiwagen Bw 180x (B 50) und Bw 1626 (BF 42) der BVG West auf der Linie 47 an der Endhaltestelle Rudow (»Rudower Spinne«), aufgenommen am 15. Juni 1963. Bildquelle: Wikimedia Commonns.)