Berliner ÖPNV-Chaos: So klappt das nie mit der Verkehrswende
Daß es schon seit Monaten bei den Berliner Nahverkehrsbetrieben knirscht, hat der gestrige Streik der GDL-Lokführer den Berlinerinnen und Berliner, die immer noch unverdrossen den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen (müssen), wieder schmerzhaft vor Augen geführt. Da die Berliner S-Bahn wegen des Streiks nahezu komplett ausfiel, mußte auf die Linien der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ausgewichen werden. Doch wenig überraschend war diese dem Ansturm nicht gewachsen, denn bei der BVG ist nicht nur in diesem Winter der Ausnahmezustand schon lange Normalität.
Es fehlt bei den Bussen und Straßenbahnen wegen der unzumutbaren Arbeitsbedingungen (die Fahrzeuge stecken im Stau, Verspätungen sind das neue pünktlich, Busse können wegen Überfüllung keine Fahrgäste mehr aufnehmen) und der für diese stressige Arbeit geringen Entlohnung an allen Ecken Personal, und bei allen Verkehrsmitteln sind außerdem die Fahrzeuge überaltet.
Zudem sind bei der U-Bahn und Tram auch die Gleise offensichtlich seit Jahren auf Verschleiß gefahren worden, und so gibt es massenhaft Zugstörungen, Ausfälle und Ersatzverkehr auf nahezu allen Strecken.
Und die Politik hat keinen Plan, es wird sogar noch schlimmer: Mit dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember wird die BVG, anders als S-Bahn und Regionalverkehr, ihr Angebot einschränken. Kürzungen sind auf 44 Buslinien vorgesehen, ausgedünnt werden Nebenstrecken genauso wie stark genutzte Hauptstrecken, etwa die Linien M19, M27 oder M29. Sie sollen außerhalb der Stoßzeiten nur noch alle 20 Minuten fahren. Zusammen mit schon geltenden Anpassungen wird der vom Land bestellte Busverkehr damit um 6 Prozent reduziert. Die BVG nennt diese Kapitulation euphemistisch einen Schritt, um mehr »Verläßlichkeit« zu schaffen. Doch die einzige »Verläßlichkeit« wäre, den ÖPNV völlig einzustellen. Denn nur wenn keine Fahrten geplant sind, können auch keine Fahrten ausfallen. Doch ich befürchte, nicht einmal das bekommt die BVG hin.
Der Fahrgastverband IGEB und der BUND fordern verständlicherweise »die Einberufung eines Krisengipfels zum ÖPNV«, die Mobilitäts-Senatsverwaltung ist davon aber wenig begeistert. Stattdessen pustet sie Wattebäuschen, indem sie die BVG darauf drängen will, »schnellstmöglich zu allen vertraglichen Pflichten zurückzukehren«. Und der Name der BVG ist Hase, sie weiß angeblich von keinen »nennenswerten Unregelmäßigkeiten im U-Bahn-Verkehr«.
Dabei müßte man, um die Krise im Berliner ÖPNV zu beseitigen, nicht nur Geld (sogar viel Geld) in die Hand nehmen, um die durch jahrelanges Kaputtsparen hervorgerufenen Mißstände zu beheben, sondern auch an den Verkehrsbedinungen schrauben: Es braucht mehr Busspuren und Vorrang-Ampelschaltungen, damit die Busse und Straßenbahnen schneller durchkommen. Ja, dafür entfallen bei den beengten Verhältnissen einer Großstadt wie Berlin notwendigerweise Parkplätze und Fahrspuren für den motorisierten Indidualverkehr. Doch, wie der IGEB-Sprecher Jens Wiesecke zur taz sagte: »Busse und Bahnen sind voll. Die Menschen wollen die Verkehrswende, aber die Politik hat das nicht verstanden.«
Stattdessen zündet der Berliner Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und der bekennenden Auto- und Beton-Lobbyisten Franzsika Giffey (SPD) Nebelkerzen: Er träumt von U-Bahn-Verlängerungen, die noch in Jahrzehnten nicht fertig sein werden, von einer Verlängerung der A100, die kein Mensch braucht, und von Luftschössern, wie einer Magnetschwebebahn durch die Berliner Innenstadt. IGEB und BUND kommentieren das so: »Im Roten Rathaus und im Abgeordnetenhaus scheint man den konkreten und massiven Problemen im Berliner Nahverkehr durch Flucht aus der Realität entschweben zu wollen.« Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Bild: BVG-Chaos, erstellt mit DreamStudio. Prompt: »a big scrappy yellow bus in a big city street with lots of red and blue cars on a rainy day. steampunk comic style«, Model: stable-diffusion-xl-1024-v1-0, Style: Comic Book